DSA - Göttersteine
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Briefe bzw. Berichte

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Beitrag  Tessa 05.10.17 13:19

Liebe Alrike,

ich schreibe dir jetzt aus Wehrheim, beziehungsweise dem, was davon übrig ist. Die Stadt besteht großteils aus Ruinen. Viele Häuser sind ab dem zweiten Stock völlig zerstört, mache sind es ganz. Aber dennoch leben die verbliebenen Menschen halbwegs normal. Der Herr vom Berg scheint eine gewisse Ordnung aufrecht zu erhalten mit seinem Soldvolk. Zumindest tagsüber. Nachts ziehen die Toten durch die Straßen. Eine dramatische Formulierung, denkst du jetzt sicher. Aber ich habe es mit eigenen Augen gesehen! Es war ein erschütternder Anblick. Ich habe danach kein Auge mehr zu tun können – und das lag nicht an den Wirten. Aber davon unten mehr. Ja, des nachts geht kein vernünftiger Mensch vor die Türe in Wehrheim. Es scheint aber unter den hiesigen Söldnern ein beliebter Sport geworden zu sein, sich nachts mit den Untoten einem Kräftemessen zu stellen. Das ist ein sicher oft auch tödlicher Sport, vielleicht zu vergleichen mit den almadanischen Toreroquestas, nur ohne Tradition, ohne Bänderschmuck und Blumen, ohne festliche Kapelle und – du weißt schon, was ich meine. Ein Untoter mag vielleicht weniger Hirn haben als ein Stier, genauso tödlich ist er wohl dennoch allemal und wenn die Straßen voll sind davon, scheint es doch sehr gewagt, sich unnötig in diese Gefahr zu begeben. Andererseits muss man sich in unserem Metier ständig in Gefahr begeben und je mutiger man dies tut, desto mehr Respekt bringen einem die anderen entgegen und desto eher steigt man auf in der Rangordnung – ja die ganze Einheit kann sich so Ruhm verdienen und bessere Aufträge erhalten und bessere Konditionen aushandeln. Ohne Nutzen sind diese Taten der Draufgänger also mit Sicherheit nicht. Ich frage mich, wie ich mich im Kampf mit so einem Untoten schlagen würde. Ich gestehe dir aber: Ich will es gar nicht wirklich heraus finden.

[…]

Ich schrieb vorhin, dass Untote weniger Hirn haben als Stiere. Das ist natürlich Unsinn, ich meinte es – du weißt es – im übertragenen Sinne. Untote haben so viel Hirn wie Lebende meistens. Ich habe eine Ausnahme kennen gelernt: Eine Untote mit einem halben Hirn. Woher ich weiß, dass es nur halb war? Weil die Hälfte des Kopfes insgesamt fehlte und man da sehr anschaulich hinein sehen konnte. Und ja, ich schreibe „kennen gelernt“ und meine es genau so, denn ich habe mit ihr gesprochen und ihr die Hand gegeben. Sie und ihr Mann betreiben in Wehrheim die Taverne „Zur angesengten Gans“. Er ist ein Geist. „Sie will mich auf den Arm nehmen.“, wirst du jetzt sagen, oder auch: „Jetzt ist sie völlig verrückt geworden von der ganzen Reiserei.“ Aber doch, es ist wahr: Die Taverne wird von einem Geist und einer Untoten betrieben. Die beiden hängen scheinbar so sehr an ihrer Taverne, dass sie sich von ihrem bloßen Ableben nicht davon abbringen lassen wollten, sie weiter zu betreiben. Und die örtlichen Boronis unternehmen nichts dagegen! Sie sagen, sie müssten Prioritäten setzen und es gäbe weit schlimmere Boronsfrevel hier zu bekämpfen: Von Ghulen ist da die Rede und jenem untoten Gezücht, was nachts durch Wehrheims Straßen zieht auf der Suche nach frischem Menschenfleisch, Skelette, verwesende Leichen. Und dann gibt es noch so viele verirrte Seelen, die zwar keinem etwas zu Leide tun, deren Wehklagen jedoch jedem ehrbaren Menschen im Herzen schmerzt und von ihrem schlimmen Kummer zeugt und ihrer Sehnsucht, endlich Ruhe zu finden in Borons Hallen. Was sind dagegen schon zwei harmlose Alte, die ihre Kinder vermissen (die vermutlich schon lange tot unter einem der eingestürzten Häuser begraben liegen) aber freudig jeden Gast bewirten. Ja, es ist direkt positiv zu sehen, dass diese zwei Toten noch die Taverne betreiben, die Wirtsstube ist gemütlich, die Betten in Ordnung, der Wein trinkbar. Nur auf das Essen sollte man verzichten. Sie scheinen mit den Jahren des untoten Daseins vergessen zu haben, was Essen bedeutet. Sie setzten uns einen Eintopf vor, der angeblich Kohl in Hühnerbrühe sein sollte: Ausgekochte Hühnerknochen waren tatsächlich drin, aber die werden viele Monde alt gewesen sein, Fleisch war keines mehr daran, stattdessen schwammen zersplitterte Knochenreste in heißem Wasser, beziehungsweise in einer Erdbrühe. Denn das war es, was sie uns als Kohl angepriesen haben: Erde. Zum Entsetzen meiner Mitreisenden, habe ich gleich einen großen Löffel verspeist und die Schmackhaftigkeit des Mahles gepriesen. Aber ich hatte vorher Gelegenheit gehabt, die Wirte bei der Zubereitung des Mahles zu beobachten und war darum sicher, dass sich nichts giftiges darin befand. Der Herr Geisterwirt und seine Frau mögen tot sein, dennoch sind sie freundlich und wollen niemandem schaden. Sie freuten sich wirklich sehr über unseren Besuch, denn sie sind sehr götterfürchtige, ehrbare Leute und haben dem gesamten Pilgerzug kostenlose Unterkunft und Versorgung angeboten. Zurecht wirst du einwenden, dass sie mit Bezahlung auch wenig anzufangen wissen werden. Ein Geist und eine Leiche brauchen nichts zu Essen zu kaufen, auch an Kleidung sparen sie viel, Feuerholz ist nicht nötig im Winter. Aber götterfürchtig sind sie wirklich. Sie haben voller Inbrunst die Lieder des Borongeweihten mitgesunden, der abends zu uns kam, um eine kleine Messe abzuhalten mit uns wenigen Teilnehmern des Pilgerzuges, die sich trauten, die Nacht in der Gaststube dieser Toten zu verbringen. Kannst du dir eine solch absurde Situation vorstellen? Da singt der Geweihte zu Ehren Borons, um uns vor denen zu schützen, die am teilnahmsvollsten ins Gebet mit einstiegen. Ich habe die ganze Zeit nicht herausgefunden, ob die zwei eigentlich wissen, dass sie tot sind. Ich habe sie nicht gefragt, denn es heißt ja, dass Geister wütend werden, wenn man sie darauf anspricht. Ich hätte den Boroni fragen können, aber dazu kam ich nicht, er verschwand schnell nach der Messe. Sie sind ja nicht die geselligsten Leute diese Boronis. Aber ich denke, in Wehrheim will nach Anbruch der Dunkelheit auch ein Boroni nicht gerne alleine auf die Straße gehen.

[…]

Schon interessant diese Stadt mit ihren Geistern und wandelnden Toten. Ich bin sicher, es gäbe da noch viele interessante Geschichten zu hören. Würden dich mehr solche Geschichten erfreuen oder ist dir das zu schaurig? In Wehrheim gibt es viele Söldnereinheiten. Ich überlege, mich einer davon anzuschließen. Schreib mir doch, was du davon halten würdest. Fürs Erste begleite ich weiter den Pilgerzug. Diese Leute können den zusätzlichen Schutz sicher gebrauchen. Doch irgendwann muss unsereins ja auch wieder arbeiten, nicht wahr?

[…]


Ich lege dir ein paar Bilder von Wehrheims Feste mit dazu. Die kleine Nita mag doch Burgen so sehr. Sage ihr ganz liebe Grüße von Tante Sophia und sage ihr, wenn ich das nächste Mal zu Besuch bin, habe ich wieder ganz viele neue Geschichten von Rittern und tapferen Helden für sie. Dann werde ich auch wieder prüfen, wie gut das Mädchen ihr Schwertchen zu schwingen versteht!
Ich freue mich sehr darauf. Ich vermisse euch alle sehr. Grüße mir auch Selinde, Myria und Alrigo und natürlich auch meinen guten Arsego und richte auch den Herren Marillio und Sfatto, der Winzerin und den Schwestern Languette meine freundlichsten Grüße aus.

Deine Sophia
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Beitrag  Tessa 11.10.17 22:48

Für den Fall, dass sie nicht wider kehrt, hinterließ "Capitana Spavento" folgenden kleinen Brief beim Pfleger des Landes:

Sind in Wutzenwald angekommen, freundlich vom Pfleger empfangen. Hiesieger Herrscher Ingolf von Wutzenwald scheint legitim zu sein, sagt Praios Laienpriester. In Zweimühlen herrscht ein Nekromant. Er ließ einen Hof überfallen, einen halben Tag südlich von Wutzenwald, anständige Leute. Bauer tot, Bäuerin zusammen geschlagen, die Söhne entführt. Ich schließe mich einem Rettungstrupp für die Söhne an. Möge Boron uns beistehen.
Hinterlasse diese Zeilen beim Pfleger. Wenn Ihr sie lest, bin ich tot, gefangen oder schlimmeres. Vergebt mir, ich kann nicht anders.
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Beitrag  Tessa 22.11.17 14:49

Liebster,

Ich leide. Es ist nicht angebracht von mir, mich zu beklagen, aber du kennst meine Herz, meine Seele, mein Selbst mit allen Schattenseiten. Du kennst und achtest mich, tatest es so doch zumindest in der Vergangenheit. Darum wage ich es, dir und nur dir meinen Kummer zu klagen: Ich bin ein Held. Ich war es schon lange, könnte mancher sagen, der mich wahrlich kennt und meine Taten der vergangenen Jahre. Du sagtest es oft und kennst doch nicht einmal die Hälfte davon, da ich nicht einmal dir davon erzählen konnte. Und doch ist es jetzt anders. Ich habe - völlig auf eigene Faust, du verstehst - einen ausgemachten Bösewicht überwunden, besiegt, ja erschlagen. Ein Schwarzmagier, im Bunde mit den Niederhöllen, ein Nekromanten und ein Tyrann war er, selbsternannter Herrscher über das Städtchen Zweimühlen hier in dem Landstrich, den das Volk die Wildermark nennt. Ich will nicht behaupten, dies göttergefällige Werk ganz allein vollbracht zu haben. Und doch vermag ich ohne Aufschneiderei zu behaupten, dass es mein Säbel war, der ihn von Dere schickte und auch mein Säbel, der die meisten seiner grässlichen Kreaturen überwand. Ich erspare dir die Beschreibung des Gefechtes und meiner Gegner. Ich will dich nicht unnötig beunruhigen. Doch lass mich dir anvertrauen, dass ich nie schrecklicheres sah und schlecht schlafe seit jenem Tag. Doch davon will ich nicht schreiben. Ich will dir schreiben von jenem Kummer, den es mit sich bringt, ein Held zu sein und nicht den Ruhm dafür zu ernten. Ich habe den Finsterling erschlagen. Die Capitana Spavento erntete jedoch den Ruhm dafür. Ich könnte protestieren, den Sachverhalt richtig stellen. Niemand würde es mir abstreitig machen, die Capitana am wenigsten. Wir verstehen uns wie Schwestern, die Capitana und ich. Aber ich kann nicht, du weißt warum. Wie immer darf ich nicht die Achtung genießen, die meine Verdienste mit sich bringen müssten. Nie war es schlimmer als jetzt. Jetzt muss ich auch noch mit ansehen, wie falsche Namen, falsche Helden gerühmt werden. Es ist nicht nur die Capitana, der ich den Ruhm noch am ehesten gönnen würde. Auch ihr wurde übel mitgespielt: Nicht ihr reichte man die Schlüssel der Stadt, nicht sie kann sich jetzt Baronin von Zweimühlen nennen. Diese Ehre wurde einem verweichlichten Lappen zuteil, den es schon beim Anblick des Schwarzmagiers aus den Schuhen geworfen hat! Den größten Teil des Gefechtes lag er besinnungslos am Boden und wo er sich doch beteiligte, kam er doch alleine auch nicht zurecht. Ich hatte mehr erwartet von einem edlen Landsmann, der so selbstbewusst sein Florett am Gürtel trägt. Doch wie sagte Meister Flordelis immer: Die Schwertschulen unseres Landes legen zu viel Wert auf Eleganz und zu wenig auf Effektivität. Was war dann da erst von einem Kavalier der Rahja zu erwarten? Er mag ein passabler Duellant sein und auch seiner Berufung entsprechend die Geweihten der Rahja vor Gesindel beschützen können. Aber im ernsten Kampfe gehen fähige Gegner versagt er völlig.

[...]

Ich habe mich offenbart. Ich forderte den Weichling zum Duell und besiegte ihn mit Leichtigkeit. Die Herrin Rondra muss meinen Arm geführt haben. Jetzt bin ich Baronin von Zweimühlen. Das wollte ich nicht! Und doch... diese Menschen brauchen einen fähigen Anführer, der sie beschützt, der ihre Sorgen und Nöte achtet. Sie haben so viel erduldet. Bin ich geeignet, dieses Amt zu bekleiden? Ich weiß es nicht, aber Praios Ordnung ist fern in diesen Landen. Mache ich es nicht, macht es ein anderer, der weit weniger Eignung besitzt. Ich denke doch, ich hatte genug Einblick in das Leben derer von adligem Geblüte, um mich angemessen verhalten zu können. Angemessener als die meisten der Herren hier in diesem wilden Land. Bei meinen Verdiensten um unser herrliches Reiche des Horas hätte man mich unter anderen Umständen - du weißt es wohl - längst in höheren Stand erhoben. Doch ob ich je darauf hoffen darf, in der Heimat so geehrt zu werden, das wissen nur die Götter. Hier habe ich die Möglichkeit - nur für eine Weile - Ansehen zu genießen und Gutes zu tun für Menschen, denen sich sonst keiner annimmt. Nur für eine Weile, natürlich. Meine Treue gilt ganz dem Horas und seinem Reich und eines Tages werde ich in die Heimat zurückkehren und bis dahin gehe oder verweile ich ganz wie man es mir befiehlt. Doch kann ich nicht auch hier von Nutzen sein? Gerade in einer solchen Position kann ich mir Mittel erwirtschaften - du verstehst. Ich hoffe, man gestattet mir, einige Zeit hier zu bleiben. Wenigstens so lange, bis ich die Stadt in andere verantwortungsvolle, fähige Hände geben kann.
Ich habe schon viele Ideen, viele Pläne. Ich schreibe dir ein anderes Mal davon. Jetzt bin ich müde und morgen kann ich den Brief Leuten mitgeben. Zweimühlen hat keine Botenreiter und derzeit wenig Händlerverkehr. Das gedenke ich zu ändern. Wenn nur erst die Brücke repariert wäre. Doch ich schweife ab.
Ich hoffe, du bist wohlauf und dein Herr ebenfalls.

In Liebe die deine
Constanze
Tessa
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